So neu sind sie nicht ...

Zur Vorgeschichte der Berufsverbote in Deutschland hier eine Übersicht, die wir der 1973 entstandenen Dokumentation des Solidaritätskomitees für Johannes Meyer-Ingwersen (1940-2000) an der Universität Stuttgart entnehmen, und die dieser damals auch selbst verfasst hat. Die Übersicht ist auch abgedruckt in der Ausgabe 3/2015 der Zeitschrift „Aktiver Ruhestand (pdf lokal), die die GEW Baden-Württemberg für ihre Mitglieder im Renten- und Pensionärsalter herausgibt.

 

Etwas kürzer, aber auch tief in die deutsche Geschichte greifend, ist die Traditionslinie, die Franz Josef Degenhardt (1931-2011) - der nicht nur Liedermacher, sondern auch praktizierender Rechtsanwalt war - in seinem Lied „Belehrung nach Punkten" aufzeigt:

„Ausgehend von den Karlsbader Beschlüssen von 1819 gegen revolutionäre Umtriebe, demagogische Verbindungen und geistige Vorbereitungen des Umsturzes [mit „Maßregeln wider die Gebrechen der Universitäten, Gymnasien und Schulen, und wider die dabei angestellten Lehrer“],

über die preußische Notverordnung von 1849 gegen unzuverlässige Elemente,

über die Sozialistengesetze von 1878 gegen sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Umtriebe [„Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ vom 21. Oktober 1878]

bis zu den Berufsverboten von 1933 [„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933]

und 1972 [„Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst“ - Beschluss der Regierungschefs der Bundesländer und des Bundeskanzlers Willy Brandt vom 28. Januar 1972]

gegen Lehrer, Ärzte, Ingenieure und so weiter, die keine Gewähr dafür bieten, jederzeit voll einzutreten für den nationalen Staat beziehungsweise die freiheitlich-demokratische Grundordnung. ...“

 

Zu nennen wäre auch noch der sogenannte „Adenauer-Erlass“ von 1950 [„Beschluss der Bundesregierung 19. September 1950 zur Verfassungstreue der öffentlich Bediensteten in der Bundesrepublik Deutschland“]. Gerade vier Jahre nach dem Ende des Nazireichs wurden selbst Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes  - die damals nur Personen aufnahm, die dies tatsächlich waren - zum Austritt aus der Organisation gezwungen, wenn sie im öffentlichen Dienst verbleiben wollten. Kombiniert mit dem „131er-Gesetz“ vom 11. Mai 1951 stellte der „Adenauer-Erlass“ gewissermaßen das Bindeglied zwischen dem Gesetz von 1933 und dem „Radikalenerlass“ von 1972 dar. (Das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen“ öffnete die Schleusen für die Rückkehr ehemaliger Nazis – soweit nicht längst erfolgt – in den öffentlichen Dienst. Es sah sogar eine Pflichtquote für diesen Personenkreis vor, wovon nur nachweisliche ehemalige Gestapo-Angehörige ausgenommen waren.)

 

Den Blick auf die Traditionslinien schärft auch das materialreiche Buch von Bernt Engelmann: Trotz alledem. Deutsche Radikale 1777-1977. München: C.Bertelsmann, 1977, ISBN 3570022633. Reinbek: Rowohl (rororo 7194), 1979, ISBN: 3-499-17194-6

 

Hinweise auf weitere hier nicht genannte Internet-Textquellen nehmen wir gerne entgegen.


(aus dem Gästebuch der DKP Tübingen, dort gefunden von Gerhard Bialas)