Wie die AfD einen Berufsverbote-betroffenen Antifaschisten kriminalisieren wollte

Eine bedrohliche Justizposse, mit der die AfD Michael Csaszkóczy wegen eines angeblichen „Hausfriedensbruchs“ verurteilt und als Straftäter abgestempelt sehen wollte, wurde im Februar 2021 erst nach vier Jahren endgültig eingestellt. (Presseerklärung - Rhein-Neckar-Zeitung 25.02.2021 - Mannheimer Morgen 26.02.2021 - Neues Deutschland 01.03.2021 (pdf) - Bericht bei beobachternews.de - Beitrag des Bundesvorstands der Roten Hilfe - Bericht der Ortsgruppe Heidelberg der Roten Hilfe - Dossier von labournet.de) Zuletzt war der für 10.02.2021 anberaumte Berufungsprozesses vor dem Landgericht Heidelberg ein weiteres Mal auf unbestimmte Zeit vertagt worden. (Bericht in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 05.02.2021 - Scan mit Kommentar der Zeitung - Mannheimer Morgen 09.02.2021)

Micha war 2017 vom Amtsgericht Heidelberg zu 1.600 Euro Geldstrafe wegen angeblichen „Hausfriedensbruch“ verurteilt worden. Im Vorfeld des Berufungsprozesses gab es einige öffentliche Aufmerksamkeit (Berichte im Mannheimer Morgen vom 13.01.2021, in der jungen Welt vom 19.01.2021 und auf beobachternews.de) - (Solidaritätserklärungen von DGB, GEW, ver.di und IGM sowie von Heidelberger Gemeinderatsmitgliedern - Erklärung der SPD Heidelberg - Bericht im Mannheimer Morgen vom 20.01.2021) - (Interview mit Micha, junge Welt 23.01.2021 - Kommentar in der uz vom 22.01.2021) - (Interview von Radio Dreyeckland mit Michael zum Stand seiner Verfahren am 15.10.2019 - mp3). „Was zunächst wie eine bizarre Provinzposse erscheinen mag, formt sich ... zu einem hässlichen Bild zwischen rechtsradikaler Hetze ausgerechnet in einem nach der durch das Naziregime verfolgten und ins Exil vertriebenen Hilde Domin benannten Raum auf der einen und politisch motivierter Justiz auf der anderen Seite. Das Verfahren ... braucht also jede Öffentlichkeit, die es bekommen kann,“ schriebdie Rote Hilfe in einer Erklärung vom 14.01.2021.

 

Die Heidelberger Gewerkschaften hatten sich bereits am 17. Juli 2019 unmissverständlich hinter ihren Kollegen gestellt (Website der IGM) (pdf) (Faksimile) Daraus Zitate:

„Da es sich bei der betreffenden Veranstaltung der AfD im Mai 2017 um eine öffentliche Versammlung gehandelt hat, ist die Verurteilung wegen ‚Hausfriedensbruch’ in der Öffentlichkeit auf große Empörung gestoßen. Auch die Umstände der Verhandlung vor dem Amtsgericht Heidelberg haben bundesweit Aufsehen erregt. ...

Wir kennen Michael Csaszkóczy seit langem als antifaschistisch engagierten GEW-Kollegen. Gegen sein laut Verwaltungsgerichtshof-Urteil grundrechtswidriges mehrjähriges Berufsverbot 2004 und die bis heute andauernde Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst haben wir öffentlich Stellung bezogen. Letzte Woche hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem über den Einzelfall hinausweisenden Urteil festgestellt, dass die jahrzehntelange Beobachtung eines Freiburger Rechtsanwalts und linken Stadtrats durch den Inlandsgeheimdienst "in vielen Teilen rechtswidrig" war (nach einem Bericht der Badischen Zeitung vom 13.07.2019) (pdf)

Angesichts NSU-Morden, Maaßen-Skandalen, dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) und dem Rechtsruck im Land sind wir froh, dass Menschen sich rechten und rechtsterroristischen Entwicklungen aktiv entgegenstellen. Nach dem Prozess in erster Instanz vor dem Amtsgericht haben die unterzeichneten Heidelberger Gewerkschaften am 12.10.2018 eine Presseerklärung veröffentlicht: ‚Wir erwarten, dass Michael Csaszkóczy in der Berufung freigesprochen wird. Da in der Verhandlung laut Presse auch ein Vertreter des Regierungspräsidiums zum Mitprotokollieren war, fordern wir außerdem die Landesregierung vorsorglich auf, keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.’

Inzwischen hat die AfD Anfang des Jahres in einer Landtagsanfrage (pdf) ein erneutes Berufsverbot gegen den Lehrer verlangt. Die Landesregierung hat dazu erklärt, es sei derzeit nicht erkennbar, dass sich an den politischen Aktivitäten des Lehrers im Vergleich zu dem 2007 vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Sachverhalt Wesentliches geändert habe. Auf unsere im Oktober 2018 auch der Landesregierung zur Kenntnis gegebene Pressemitteilung haben wir keine Antwort erhalten. Wir bekräftigen daher unsere damalige Erklärung nochmals nachdrücklich und fordern die Landesregierung und die staatlichen Stellen auf, von jeglichen disziplinarischen Schritten gegen den Lehrer Csaszkóczy Abstand zu nehmen.“

 

Soweit die Heidelberger Gewerkschaften. So war es in der ersten Instanz abgelaufen: „Nur fünf Tage vor der Verhandlung wurde die Richterin wegen einer Änderung in der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts ausgetauscht.“ „Entlastungszeugen wurden nicht zugelassen“ (Rhein-Neckar-Zeitung, 15.09.2018pdf - Scan) „Demokratische Mäntelchen waren bei Richterin und Staatsanwältin kaum mehr auszumachen. Sie hatten alles bereits vorgeschrieben und die Aussagen von AfD und Polizeizeugen einfach abgeschrieben. Die Staatsanwältin kam aber immerhin nicht umhin, die Aussage ihres Zeugen Polizeiführers zu korrigieren, der die öffentliche Versammlung als ‚AfD-Veranstaltung’ deklarieren wollte. Sie musste klarstellen, dass es tatsächlich eine öffentliche Versammlung war . Micha habe aber eben laut Richterin diese Versammlung ‚verhindern’ wollen, ‚Hausverbot’ bekommen und ‚Hausfriedensbruch’ begangen. Vom Regierungspräsidium war ein Herr da, der detailliert mitgeschrieben hat für die Materialsammlung Berufsverbot.“ (Augenzeugenbericht) „Es war unerträglich, schrecklich! Vor dem Gerichtsgebäude vier Polizeibusse. Einlasskontrolle, um ins Gebäude zu kommen. Mindestens 6- 8 Polizisten bei der Ausweiskontrolle, um in den Verhandlungsraum zu kommen. Und drinnen mindestens sechs Polizisten in voller Montur während der Verhandlung. Alle im und außerhalb des Gerichts sollten glauben, hier wird der Prozess gegen einen gewalttätigen Schwerverbrecher geführt. Eine solch perfide Inszenierung staatlicher Macht und psychischer Gewalt war mir unvorstellbar. Hier soll ein Mensch fertiggemacht werden.“ (weiterer Augenzeugenbericht)

„Es könnte wieder Berufsverbot drohen“ (Michael Csaszkóczy im Interview mit der jungen Welt 14.09.2018) (pdf) - Michas Einlassungen in der Verhandlung - Kommentar zum Urteil im Kommunalinfo Mannheim 14.09.2018 (pdf) - Prozessbericht auf Beobachternews.de - Interview mit Radio Dreyeckland 21.09.2018 (mp3) (pdf)

Unter den Leserbriefen, die die Lokalzeitung am 20.09.2018 und 26.09.2018 abdruckte, fiel einer dadurch auf, dass er das Urteil sehr ausdrücklich verteidigte. Geschrieben hatte ihn laut einer über Facebook veröffentlichten Mitteilung der AIHD vom 01.10.2018 (pdf) (junge Welt 04.10.2018) (pdf) keine andere als die Mutter der kurz zuvor zuständig gemachten Richterin, die auch noch die Schwiegertochter eines AfD-Bundestagsabgeordneten ist, der 2017 „wegen seiner rassistischen Ausfälle dreimal bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten abgelehnt wurde“. Dazu ein Interview in der Frankfurter Rundschau 05.10.2018 (pdf) und Berichte in der Rhein-Neckar-Zeitung und jungen Welt am 06.10.2018 (pdf) (pdf mit Bild). Einer SPD-Presseerklärung vom 05.10.2018 (pdf), die auch zu Spenden für den Rechtsschutz aufrief, folgten den wirklichen Sachverhalt ignorierende Leserbriefe in der RNZ vom 09.10.2018 und 10.10.2018, die keinen Zweifel daran lassen, dass die AfD und ihre Unterstützer/innen sich sozusagen als (außer)parlamentarischer Arm der „Verfassungsschutz“ämter verstehen, die Michael nicht verzeihen, dass er 2007 die Auseinandersetzung um seine Einstellung in den Schuldienst gerichtlich gewonnen hat.

Erklärung von DGB, GEW, ver.di und IGM Heidelberg (12.10.2018) - Erklärung des DGB Bensheim

 

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