Silvia Gingold (Kassel)

Silvia Gingold ist im In- und Ausland (dort vor allem in Frankreich) eine der bekanntesten Betroffenen eines Berufsverbots als Lehrerin. Ihre Geschichte und die ihrer Familie wurde vielfach in Büchern und anderen Medien dargestellt.

Selbstdarstellung ihres Falls in der Hessischen Lehrerzeitung 01-2017 - Kurzbeitrag am 14.06.2012 in Berlin zur „Kontinuität der Verfolgung“ - Falldarstellung für diese Veranstaltung - Filmclip-Zusammenschnitt zu W. Kretschmann, M. Csaszkóczy, B. Larisch, S. Gingold, K. Lipps, Aktion in Strasbourg [mp4-Datei] - ZDFinfo: „Geschichte Treffen. Gesinnung im Visier - der Radikalenerlass 1972“ (22.10.2016) - SWR2 (Sendereihe „Leben“) 17.04.2018 (mp3) (Text zur Sendung) - Deutschlandfunk 04.02.2019: „Silvia Gingold und ihr Kampf gegen den Verfassungsschutz“ (pdf) - Einladungsflyer zu einem Zeitzeugengespräch in Hof am 27.09.2019

 

Jahrelang klagte Silvia - erfolglos - gegen den hessischen „Verfassungsschutz“ auf Unterlassung der fortgesetzten Bespitzelung und Vernichtung der diesbezüglichen Akten. Am 28.12.2023 - nach sechs Jahren! - wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof endgültig abgelehnt (Ablehnungsbescheid), wogegen ihr Anwalt am 29.01.2024 eine Verfassungsbeschwerde einreichte. Eingestandenermaßen wird die Antifaschistin mindestens seit 2009 vom Inlandsgeheimdienst erneut überwacht. Tatsächlich wird ihr z.B. vorgeworfen, dass sie aus dem Buch über das Leben ihres Vaters, des Widerstandskämpfers Peter Gingold, Lesungen durchführt. Oder dass sie am 40. Jahrestag des Radikalenerlasses bei einer Kundgebung in Frankfurt sprach. Nachdem das Verwaltungsgericht in Kassel sich ursprünglich für örtlich unzuständig erklärt hatte, fand am 12. Januar 2017 vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden (dem Sitz der Behörde) eine erste Verhandlung statt. Das gewerkschaftliche Bündnis „Berufsverbote Hessen“ (pdf) mit der GEW Hessen an der Spitze, die Initiative „40 Jahre Radikalenerlass“ und andere hatten aufgerufen, diesen Prozess solidarisch zu begleiten. Es gab absurde Sicherheitskontrollen wie auf einem Flughafen:

 

Einlasskontrolle im Justizzentrum Wiesbaden. Nur 40 der angereisten etwa 100 Prozessbeobachter/innen fanden Platz im größten Saal des Verwaltungsgerichts. Die verteilten selbstgebackenen „Duckmäuse“ sorgten für gute Laune.

 

Das Ergebnis: der Richter macht sich die absurde Lesart des „Verfassungsschutzes“ zu eigen, eine „personenbezogene“ Überwachung finde hier überhaupt nicht statt – und verwies alles wieder zurück nach Kassel.

 

Persönliche Erklärung von Silvia Gingold - Der „Verfassungsschutz“-Schriftsatz vom Server der uz (pdf lokal) - Das Urteil des VG Wiesbaden vom 12.01.2017 - Berichte des (selbst vom Berufsverbot betroffenen, mit einem ähnlichen Verfahren in Baden-Württemberg abgeschmetterten) Prozessbeobachters Michael Csaszkóczy (Abdruck in Konkret 03-2017) und der Datenschützer Rhein-Main (pdf) – kurzer Fernsehbericht von RTL Hessen (mp4) – dpa-Bericht in längerer oder kürzerer Form in: Frankfurter Neue Presse (pdf) -Oberhessische Presse (Marburg) - SPIEGEL (pdf) – Süddeutsche ZeitungHessenschau (pdf) – mittelhessen.de (pdf) – Echo-online (pdf) – Weitere Berichte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Portal „News4Teachers“ (pdf), junge Welt 12.01.2017 (pdf) und 13.01.2017 (pdf) – Neues Deutschland (pdf) – unsere Zeit 13.01.2017 (pdf) und 20.01.2017 (pdf) – DKP-Presseerklärung. - Interview mit Silvia in der jungen Welt 21.01.2016 (pdf) - Olaf Matthes (24.01.2017): „Beifang“ im Spitzelnetz (pdf)

 

Vor dem Verwaltungsgericht Kassel wurde dann am 19. September 2017 weiter verhandelt - mit einem skandalösen Urteil, das die Bespitzelung rundheraus rechtfertigte (und das nach seiner Zustellung an die Prozessparteien sogleich in der Rechtsdatenbank „Juris“ veröffentlicht wurde (pdf), wo es anscheinend „rechtsfortbildend“ wirken soll.) Dass „die Klägerin wegen der relativen Bekanntheit ihres Namens als Tochter eines Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus quasi als Magnet für Personen gewirkt hat, die den Zielen der Veranstalter bislang eher fern gestanden haben“, soll nach Meinung des Gerichts rechtfertigen, dass Silvia Gingold persönlich und die VVN-BdA weiterhin vom „Verfassungsschutz“ bespitzelt werden. Obwohl die Organisation weder in Hessen noch auf Bundesebene in den Jahresberichten dieses Inlandsgeheimdienstes aufgeführt ist. Darauf wies Dr. Otto Jäckel, Silvia Gingolds Rechtsanwalt, in einer Pressemitteilung hin.

 

Über diesen Prozess- hatten verschiedene Medien berichtet: dpa-Meldung in der Oberhessischen Presse (Marburg) 20.09.17 (pdfpdf-Scan) - Bericht in der HNA 20.09.2017 (Hessische/Niedersächsische Allgemeine) - Interview mit Silvia in der jungen Welt 16.09.17 (pdf) - Info-Seite der VVN-BdA - Bitte der VVN-BdA um Solidarität (20.04.2017) (pdf) - Erklärung der DKP zum Prozess (pdf), dokumentiert in der jungen Welt 19.09.2017 (pdf) – Die DKP-Wochenzeitung UZ berichtet über die Gerichtsverhandlung, 22.09.2017 (pdf) – „So sehen Verfassungsfeinde aus“, UZ 22.09.2017 (pdf).

Über das Urteil berichtete dann die Frankfurter Allgemeine Zeitung 09.10.17Frankfurter Rundschau 07.10.2017 - HNA 07.10.2017 - Erklärung der VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel zum Urteil - Themenseite der jungen Welt 11.10.2017 – „Freibrief für Spitzelbehörde“ jW 11.10.2017 (pdf) – Gespräch mit Rolf Gössner jW 11.10.2017 (pdf) - Stellungnahme von Ulla Jelpke (MdB DIE LINKE) (pdf) – Aufmacher der DKP-Wochenzeitung unsere zeit 12.10.2017 - Stellungnahme der DKP zum Urteil (pdf) (in der jungen Welt 12.10.2017) (pdf) - Beobachternews 16.10.2017 (pdf) - Schwerpunktthema der Zeitschrift antifa (Ausgabe Nov/Dez 2017) der VVN-BdA, mit Stellungnahmen von Silvia Gingold und der VVN-BdA zum Urteil und Beiträgen über die Geschichte der Familie Gingold, die Verfolgung der VVN in der alten BRD und der Rolle des „Verfassungsschutzes“ beim Hochpäppeln und Vertuschen von Nazistrukturen.

 

Die fünfköpfige Kammer (drei hauptamtliche, zwei ehrenamtliche Richter) hatte zunächst kein Urteil verkündet und traf in der Verhandlung laut Niederschrift nur die Festlegung, dieses anschließend schriftlich zustellen. Eindrucksvolle Plädoyers hielten Silvia Gingold und Rechtsanwalt Dr. Otto Jäckel. Beide zitierten unterschiedliche Passagen des „Schwurs von Buchenwald“ (pdf), dessen Vereinnahmung für die „Beweisführung“ der „Verfassungsschützer“ nicht nur eine Verunglimpfung der 21.000 überlebenden Häftlinge darstellt, die ihn am 19.04.1945 sprachen, sondern auch, wenn man ihn auch nur ein einziges Mal vollständig gelesen hat, historisch völlig abwegig ist.

 

Die GEW hatte dazu aufgerufen, an der Verhandlung teilzunehmen, und 47 Zuhörer/innen fanden in dem Saal Platz. Für die übrigen Angereisten fand in der benachbarten Kunsthochschule eine Begleitveranstaltung zum Thema „Wen schützt der Verfassungsschutz? - Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz?“ statt. Uli Sander (Dortmund), Journalist, Bundessprecher der VVN-BdA ordnete in seinem Referat (pdf Typoskript) die aus Schriftsätzen zitierten Begründungen für die Bespitzelung Silvia Gingolds in die Kampagne zur „Delegitimierung“ des Antifaschismus ein. Ein weiteres Referat hielt Dr. Rolf Gössner (Bremen), ein Anwalt, der erfolgreich gegen seine Bespitzelung durch den Verfassungsschutz geklagt hat.

 

Schon in der jungen Welt am 21.11.2012 (pdf) war über Silvias „Auskunftsersuchen“ berichtet und ein Interview mit ihr (Scan) abgedruckt worden. Auch die DKP-Zeitung „unsere zeit“ fragte damals (23.11.2012): „Ist Antifaschismus verfassungswidrig?“ und prangerte „die ewigen Schnüffler“ an.

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