Berufsverbot: Des Zöllners Scheer unendliche Geschichte Ein Beamter wurde wegen DKP-Kandidatur entlassen Von Uwe Ruprecht, Hamburg Uwe Scheer (61) ist eine Art Kohlhaas. Wie dem Rosshändler in Kleists Novelle ist ihm Unrecht geschehen, und er besteht auf Gerechtigkeit. Nunmehr 18 Jahre währt sein Anrennen gegen die Schranken des Rechtsstaats. Im Jahre 1983 wurde der Zöllner Scheer ein Opfer des »Radikalenerlasses«. Kommunisten vor allem sollte der Erlass von 1972 aus dem öffentlichen Dienst entfernen; Scheer hatte in Hamburg für die DKP kandidiert. Im Unterschied zu anderen vermeintlichen »Verfassungsfeinden« wurde er nicht schlicht entlassen, sondern bei 80 Prozent seiner Bezüge beurlaubt. Als 1989 die Großwetterlage sich änderte, hoffte Scheer auch für sich auf Tauwetter und machte seinem Arbeitgeber, der Oberfinanzdirektion, ein Angebot: Wenn er in ein Angestelltenverhältnis übernommen werde, würde er nicht länger auf Wiederbeschäftigung als Beamter klagen. Seit 1992 versieht er also dieselbe Arbeit wie bis 1983 - freilich mit geringerem Einkommen und ohne Pensionsberechtigung. Die Gerechtigkeit war das nicht. So zog Scheer 1996 dann doch wieder vor Gericht. 1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg im Fall der Lehrerin Dorothea Vogt ein Grundsatzurteil gefällt und die Berufsverbotspraxis der Bundesrepublik als Verletzung der Menschenrechte bezeichnet. Das Urteil erstritten hatte der Hamburger Anwalt Dr. Klaus Dammann, der das Mandat Vogt von Gerhard Schröder übernahm, als dieser 1990 Ministerpräsident in Niedersachsen wurde. Inzwischen vertritt Dammann auch den Zollangestellten Scheer. Offenkundig ist die Justiz damit überfordert, eine verfehlte Politik Jahrzehnte später mit den Mitteln des Verwaltungsrechts zu reparieren. Ein »rechtswidriger Verwaltungsakt« kann im Fall Scheer nicht aufgehoben werden, weil keiner vorliegt, urteilte das Hamburger Verwaltungsgericht im März 1999. Schließlich habe Scheer seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis selbst betrieben. Zwar erkannte das Gericht, dass dieses Verhalten nicht gänzlich freiwillig war. Aber die Folgen daraus wertete es als keineswegs »unerträglich«, wie es das Gesetz fordert. Das weitere Procedere wurde ins Ermessen der Oberfinanzdirektion gestellt. Dort aber tat sich nichts. Jetzt musste sich die nächste Instanz mit dem Fall befassen. Das Oberverwaltungsgericht befand, dass die Oberfinanzdirektion ihr Ermessen »nicht rechtmäßig ausgeübt hat. Die OFD hat die für und gegen einen Widerruf der Entlassung sprechenden Gesichtspunkte nicht ausreichend abgewogen.« Dass die Finanzdirektion nicht gewillt ist, anders zu verfahren, war im Vorfeld des Verfahrens deutlich geworden. Sie hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass Uwe Scheer für die Liste »Regenbogen - für eine neue Linke« kandidierte. Sollte damit belegt werden, dass der Zöllner eben doch ein »Verfassungsfeind« ist? Anwalt Dammann ist skeptisch, dass die Behörde sich einsichtig zeigen wird. Sie könnte das Verfahren verschleppen, bis sein Klient Rentner ist. Das juristische Karussell würde sich noch lange weiterdrehen. So kann die politische Entscheidung für Berufsverbote letztlich nur politisch revidiert werden. (ND 17.12.01)