Das traurige Schicksal des „Runden Tischs“ in Baden-Württemberg

 

Am 17. Februar 2016 führten die Initiativgruppe „40 Jahre Radikalenerlass“ und die VVN-BdA Baden Württemberg eine Kundgebung vor dem Interimssitz des Landtags in Stuttgart durch - Presseerklärung, Ankündigung (pdf), Einladung

Bericht in der jungen Welt, 19.02.2016 (pdf) - dort auch das Grußwort von Roman Zitzelsberger (pdf) - Internetradio-Mitschnitt (mp3 lokal) und Film-Zusammenschnitt der Kundgebung (letzterer mit Fallschilderung von Klaus Mausner) - Bericht bei der VVN-BdA (pdf) - im Kommunalinfo-Mannheim - auf Indymedia (pdf) - auf news.dkp.de (pdf)

Die Redner/innen und ihre Beiträge:

Christina Lipps (Moderation), Lothar Letsche (Betroffener, Initiativgruppe „40 Jahre Radikalenerlass“, Geschäftsführender Landesvorstand der VVN-BdA), Werner Siebler (betroffener Briefträger, ver.di, DGB-Vorsitzender von Freiburg (siehe S. 23, pdf)), der die Beschlusslage von ver.di darstellte, Bernd Riexinger (Vorsitzender der Partei DIE LINKE und Landtagskandidat) - auf die-linke-bw.de (pdf), Klaus Lipps (Betroffener) mit einem Grußwort von Doro Moritz (Vorsitzende der GEW Baden-Württemberg), Martin Hornung (Betroffener, IG Metall Heidelberg) mit einem Grußwort von Roman Zitzelsberger (Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg / in der jW / pdf), Michael Dandl (Antifaschistische Initiative Heidelberg) mit dem Beitrag des erkrankten Michael Csaszkóczy (Betroffener), Reinhard Gebhardt (Betroffener aus Heidelberg).

Musikbeiträge gab es von Helmut Ciesla.

 

Warum war diese Kundgebung notwendig geworden?

 

In einer Presseerklärung (auch auf Indymedia (pdf) RedGlobe (pdfnews.dkp.de (pdf) und  in der jungen Welt, 23.01.2016 (pdf) )war die „Initiative 40 Jahre Radikalenerlass“ am 22. Januar 2016 zu folgendem Fazit gekommen:

 

„Auch zum Ende ihrer Amtszeit hat sich die grün-rote Landesregierung [von Baden-Württemberg] und die sie tragende Parlamentsmehrheit nicht dazu durchringen können, die Menschen zu rehabilitieren, die als Linke in den 1970-er und 1980-er Jahren - und selbst darüber hinaus - vom Radikalenerlass betroffen waren. Wie die Initiative  aus der Presse erfahren musste (Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg, 21.01.2016), haben sowohl die Fraktion der SPD als auch die der Grünen es in der zweiten Januarwoche abgelehnt, einen entsprechenden Antrag in den Landtag einzubringen. Im Vorfeld hatte Ministerpräsident Kretschmann einigen Betroffenen schreiben lassen, man wolle die Rechtmäßigkeit der damaligen Verfahren auch im Hinblick auf mögliche künftige Ausschlüsse aus dem Öffentlichen Dienst nicht generell in Frage stellen. Die grün-rote Landesregierung stellt sich mit diesen Entscheidungen bruchlos in die Tradition derer, die die mit den Berufsverboten verbundenen Grundrechtsverletzungen weiter legitimieren und sich ihre künftige Wiederbelebung vorbehalten wollen. Darüber hinaus stellt sie sich damit ein weiteres Mal hinter die Praxis des Inlandsgeheimdienstes, der den irreführenden Namen 'Verfassungsschutz' trägt. Damit sind die jahrelangen Bemühungen ehemaliger Betroffener und ein Runder Tisch, zu dem sie im Juni 2015 Abgeordnete von Grünen und SPD bewegen konnten, ergebnislos geblieben. Ausgerechnet die grün-rote Regierungsmehrheit in Baden-Württemberg, deren Ministerpräsident Kretschmann 1977 selbst als linker Lehrer Berufsverbot erhalten hatte, fällt damit weit hinter die Landesparlamente von Bremen und Niedersachsen zurück, die 2011 und 2014 den Radikalenerlass für Unrecht erklärt und die Betroffenen rehabilitiert hatten.“

 

Eine dpa-Meldung dazu vom 22.01.2016 (pdf) fand ihren Niederschlag beispielsweise in der Südwest-Presse vom 23.01.2016 (pdf) und ihren Kopfblättern und der Esslinger Zeitung (pdf-Scan). Über die Bemühungen im Vorfeld, eine Beschlussfassung des Landtags zu erreichen, hatte das Portal Kommunalinfo-Mannheim am 13.01.2016 (pdf) berichtet.

Interview mit Martin Hornung: »So sind wir hingehalten und getäuscht worden« - junge Welt, 25.01.2016 (pdf der Online-Ausgabe) (pdf der Print-Ausgabe)

Interview mit Lothar Letsche am 28.01.2016 (dem 44. Jahrestag des "Radikalenerlasses") mit Radio Dreyeckland,  Freiburg (pdf) - mp3-Datei: in der Mediathek des Senders  lokal  gekürzt in der Magazinsendung „Fokus Südwest“  (mp3-Datei, von 11:27 bis 19:12)

Im Badischen Tagblatt vom 11.02.2016 (Baden-Baden) kam Klaus Lipps zu Wort, um zu erklären, warum die Betroffenen diese Kundgebung durchführen.

Kurz zuvor gab es noch einen Brief der IG Metall Baden-Württemberg (Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter, und Mirko Geiger, 1. Bevollmächtigter der IGM Heidelberg) an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, 18.01.2016 - und eine Antwort aus dem Staatsministerium, 15.02.2016.

 

In der jungen Welt vom 16.02.2016 erklärte die GRÜNEN-Abgeordnete Beate Böhlen noch: »Unser Ziel ist ein Fonds zur Entschädigung« (pdf)und nannte dafür als Frist den 30 April 2016. Daraus wurde – wie aus den anderen Ankündigungen – nichts. Ganz abgesehen davon, dass beispielsweise Michael Csaszkóczy in einem Leserbrief vom 27.02.2016 (pdf) die Art und Weise, wie der angekündigte „Entschädigungsfonds“ gestaltet sein soll, „zynisch“ fand.

 

Drei Monate später im Koalitionsvertrag GRÜNE/CDU (pdf) findet man gerade noch folgenden Satz (Vorwort, Seite 6 - wobei es laut SPD viele Nebenabreden zum Vertrag geben soll, deren Veröffentlichung die SPD fordert):

„In unserem Land kann jeder zu seinem guten Recht kommen, ungeachtet wirtschaftlicher und persönlicher Umstände. Die Grundlage dafür ist eine leistungsfähige Justiz. So garantieren wir die Freiheit einer demokratischen Bürgergesellschaft mit unterschiedlichen Lebensstilen, Interessen und Meinungen.“

 

Und der GRÜNEN-Politiker Ulrich Sckerl – Wortführer beim „Runden Tisch“ – sieht in einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg) am 24.05.2016 (pdf) (pdf-Scan) die „Terrorgefahr eindeutig näher gerückt“, betont allerdings auch den „Charakter der Grünen als Bürgerrechtspartei“  „Sie schätzen inzwischen auch den Verfassungsschutz als Teil der Sicherheitsarchitektur?“  „Wir brauchen den Verfassungsschutz in jedem Fall mit seinem Erkenntnisgewinn im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Da sind die entsprechenden Abteilungen derzeit ohne Alternative. Sie arbeiten hochprofessionell. Solche Abteilungen stärken wir. Das heißt aber nicht, dass wir nicht durchaus weiterhin Modernisierungsbedarf sehen.“  Zum Beispiel?“ Wir wollen unverändert die Konzentration der Verfassungsschützer auf tatsächlich gewalttätige, gegen die freiheitliche Ordnung gerichtete Bestrebungen. Darauf sollen sie sich konzentrieren - und nicht irgendwelche Organisationen, die vielleicht im Schrifttum die Verfassung kritisieren, Tag und Nacht überwachen.“ Wen haben Sie im Auge?“  „Beispielsweise die Partei ‚Die Linke’. Das ist sicherlich eine linke Partei, die auch scharfe Kritik übt. Aber keine Partei, die unsere demokratische Grundordnung bedrohen würde. ...“

 

Die letzte Andeutung bleibt ein wertloses Lippenbekenntnis. Denn noch wenige Tage zuvor hatte der „Verfassungsschutz“ seine fortdauernde Bespitzelung des Heidelberger Antifaschisten Michael Csaszkóczy (der sich 2009 für das ihm angetane Unrecht bei der Einstellung als Lehrer sogar erfolgreich Entschädigung eingeklagt hatte) vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe als gerechtfertigt hingestellt ... In diesem Beitrag darüber in der Zeitschrift Ossietzky (12-2016) berichtet Erhard Jöst unter anderem auch über das Schicksal des „Runden Tischs“.

 

Schließlich noch ein historisches Foto: Vor der Aktion am 10.12.2014 hatten schon 1978 Berufsverbots-Betroffene vor dem baden-württembergischen Landtag demonstriert. Einige der Abgebildeten sind heute aktiv an unserer Kampagne beteiligt. Hier muss wirklich ein sehr dickes Brett gebohrt werden ...